ELLIS ISLAND: DAS TOR ZUR FREIHEIT

Zwischen 1890 und 1954 war Ellis Island das Einwanderungszentrum der USA. Die allermeisten “Immigrants” – so nennen die Amerikaner ihre Einwanderer – wurden auf der kleinen Insel überprüft, bevor sie nach Amerika einreisen durften. Die Geschichte der Einwanderung in die USA ist auch wirklich besonders: Kein anderes Land der Welt wurde derart stark geprägt von Einwanderung und ist dadurch bunt an Kultur aus aller Herren Länder.

Schon komisch: Bis vor ca. 60 Jahren war für die meisten Besucher von Ellis Island, das direkt hinter der Freiheitsstatue liegt, ihre Freiheit erst einmal wieder zu Ende. Die Menschen waren aber auch mehr als bloße Besucher oder Touristen: Sie waren Immigranten, also Leute, die ihre alte Heimat in Europa, Asien, Afrika oder sonst wo auf der Welt verlassen haben, um in den USA ein neues Leben zu beginnen.

Bevor Ellis Island die Rolle zukam, jeden einzelnen Einwanderer auf Herz und Nieren zu prüfen, war die Einwanderung in die USA noch einfacher. Nachdem Kolumbus den neuen Kontinent im Jahr 1492 entdeckt hatte, genügte in der Regel eine Fahrkarte auf einem Schiff, besonders wenn man selbst weder Kapitän noch Seemann war. Damals galt der ganze Kontinent als große Chance für einen Neuanfang. Die unbewohnten Flächen waren gigantisch groß, die Rohstoffe und Ressourcen galten als unerschöpflich.

Der Abstand zwischen den beiden Ozeanen – Atlantik und Pazifik – beträgt ca. 4.500 Kilometer und Deutschland würde ca. 30 mal in die USA reinpassen. Das muss man sich einmal vorstellen: Was die ersten Siedler wohl dachten, als sie diese gigantischen Weiten erblickt haben?

Das blieb den Menschen in Europa nicht lange verborgen. Viele wagten die Überfahrt. Aus Gründen des Geldes, weil sie in ihrer Heimat verfolgt wurden, oder einfach nur aus der Lust am Abenteuer. Riesige Handelskompanien sorgten für einen regelrechten Welthandel. Die Geschichte der Einwanderung in die USA ist aber auch geprägt von einigen dunklen Kapiteln: Die fast völlige Vertreibung der amerikanischen Ureinwohner sowie der ausbeuterische Handel mit afrikanischen Sklaven sorgen auch heute noch für Diskussionen und sind natürlich Stoff in jedem Schulbuch.

DIE EINREISE WURDE MIT DER ZEIT IMMER SCHWIERIGER

Nachdem die Einwanderung in die USA zu Beginn kaum geregelt war, begann die Regierung ab dem frühen 19. Jahrhundert damit, Einwanderer zu zählen und strengere Regeln zu erlassen. In diesem Zuge entstanden Orte wie Ellis Island, an denen die Immigranten zunächst einmal gesammelt wurden, um zu entscheiden, ob sie das Land betreten dürfen.

Einwanderer zu zählen und strengere Regeln durchzusetzen – das bedeutet nicht nur viel Arbeit für die amerikanischen Behörden, sondern verlangt den Immigranten viel Geduld und Spucke ab.

Das war für viele Menschen sicher keine einfache Prozedur. Schon gar nicht für jene, die aus Kriegsgebieten oder vor religiöser Verfolgung geflohen waren, damit es ihnen und ihren Familien in den USA besser ergehe. Die Einwanderer mussten Befragungen, Untersuchungen und Tests hinnehmen – erst danach ging es in das Land der Freiheit und des Wohlstands. Zumindest wenn man nicht wieder zurückgeschickt wurde. Denn auch das war möglich.

Viele haben es dennoch geschafft. Fast jeder dritte Amerikaner kann heute seine Wurzeln auf Ellis Island zurückführen. Überhaupt ist die USA das Einwanderungsland schlechthin. Das sieht jeder sofort, der nur ein paar Tage in einer amerikanischen Großstadt verbringt. In vielen Großstädten gibt es zum Beispiel ein „Chinatown”. Dort leben zwar nicht nur Chinesen, aber überall hängen chinesische Schriftzeichen, teilweise auf ganz großen Bannern.

In Chinatown von New York sprechen noch heute weniger als 55 % der Bewohner Englisch und das Straßenbild ist von chinesischen Schriftzeichen und Läden geprägt.

Hier und da hängen feuerrote Drachen, die einem das Fürchten lehren können. Doch sie sind zum Glück aus Pappe. Überall duftet es herrlich nach chinesischem Essen und in den Schaufenstern der Restaurants hängen allerlei exotische Zutaten. In Chinatown von New York steht sogar eine Statue des großen Konfuzius. Das ist ein ganz alter chinesischer Philosoph, der furchtbar schlaue Sätze gesagt hat. Zum Beispiel den: „Fordere viel von dir selbst und erwarte wenig von den anderen. So wird dir Ärger erspart bleiben.”

DIE USA ALS SCHMELZTIEGEL DER KULTUREN

Was das mit Amerika noch zu tun haben soll? Genau das ist der Punkt. Amerika ist über Jahrhunderte aus so vielen verschiedenen Völkern zusammengewachsen, dass es im Grunde nichts gibt, dass schon immer „amerikanisch” gewesen wäre. Es gibt sogar einen englischen Begriff für das gemeinsame Zusammenleben verschiedener Kulturen an einem Fleck: „Melting Pot”. Das heißt wörtlich übersetzt: Schmelztiegel.

Erst durch den Erfolg des Theaterstücks The Melting Pot des englischen Schriftstellers Israel Zangwill von 1908 wurde die Bezeichnung „Melting Pot” (zu deutsch: Schmelztigel) zu einem geläufigen Begriff.

Trotzdem: Ein ungewöhnliches Wort um die Bevölkerung eines Landes zu beschreiben, nicht wahr? Doch die Erklärung ist einleuchtend: In einem herkömmlichen Schmelztiegel werden verschiedene Metalle gemischt und zusammen geschmolzen. Ähnlich verlief es in der Geschichte der USA: Verschiedene Kulturen lebten nebeneinander, verbanden sich durch Freundschaft oder Heirat und verschmolzen schließlich zu einem amerikanischen Volk.

So eine Geschichte ist auch wirklich einmalig: Als die ersten europäischen Siedler in die USA kamen trafen sie auf etwa eine Million Ureinwohner (Indianer). Zwischen 1820 und 1975 gab es etwa 45 Millionen Einwanderer. Sie kamen aus Deutschland (etwa 7 Millionen), Italien und England (etwa je 5 Millionen), Irland (4 Millionen) sowie Kanada und Russland (je 3 Millionen). Während der großen Eisenbahnbauten kamen hunderttausende von Chinesen. Alle Einwanderer hatten das Ziel, sich ihren Platz in der amerikanischen Gesellschaft zu sichern und möglichst schnell „echte Amerikaner“ zu werden.

(Im Hintergrund siehst du übrigens Emigranten aus Österreich und Ungarn, die um das Jahr 1900 gerade an Bord eines in die USA fahrenden Dampfers gehen.)

Diese Tradition lebt bis heute fort. Und doch gibt es zwei Seiten einer Medaille. Auf der einen Seite herrscht in amerikanischen Großstädten ein buntes Durcheinander. Italienische, Irische, Russische, Deutsche, Chinesische, Vietnamesische und viele weitere Viertel verschiedenster Völker findet man in fast jeder Großstadt. Mit entsprechenden Restaurants und länderspezifischen Kulturprogramm versteht sich. Also Theater, Straßenfeste, Verkaufsläden und, und, und.

WARUM VERLASSEN MENSCHEN IHR HEIMATLAND?

In anderen Regionen, in denen meist auch das Geld fehlt, wird Einwanderung immer kritischer gesehen. Die Bewohner fürchten um ihre Jobs und denken, dass es jetzt mal genug ist mit der Einwanderung. Doch kann es ein „genug” überhaupt geben? Eine sehr schwierige Frage, auf die auch die schlausten Köpfe keine schnelle Antwort haben.

Im Grunde unterscheidet sich die heutige Situation aber nicht grundlegend von damals. Menschen auf der Welt fliehen immer noch vor Krankheit, Hunger, Krieg oder religiöser Verfolgung – und beantragen in fremden Ländern Asyl, damit es ihnen dorch besser ergehe. Nur auf Ellis Island landen sie nicht mehr. Die Insel ist seit 1956 kein Einwanderungszentrum mehr. Heute fungiert sie als Museum, das die Menschen über die Geschichte der Immigration in die USA aufklärt.

Und noch etwas hat sich nicht geändert: Wer heute in die USA einwandern möchte, muss sich natürlich immer noch viele Fragen gefallen lassen. Aber noch viel mehr: Man muss auch einen sogenannten “Einbürgerungstest” bestehen. Wenn diese Hürden gemeistert sind, gibt es eine feierliche Zeremonie.

Bei dieser leisten die Einwanderer einen „Eid der Treue” (den sogenannten oath of allegiance). Darin bekennen sich die Immigranten zu den amerikanischen Werten – einer davon ist das Leben in Freiheit.

Das sieht dann ungefähr so aus, wie bei dem Bild im Hintergrund: Einwanderer leisten ihren Eid (oath of allegiance) vor ihrer Einbürgerung.

Denn obwohl die Bestimmungen heute viel strenger sind als früher, ist das Bekenntnis zur Freiheit noch immer das, was viele Amerikaner eint. Egal aus welcher Kultur sie ursprünglich kamen.

Hier könnt ihr sehen, wie das damals aussah als die Menschen in Ellis island angekommen sind.

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